In der Schweiz ist die Debatte um die öffentliche Finanzierung der Nachrichtenmedien in vollem Gange. Die Wählerinnen und Wähler sind aufgerufen, am Sonntag, den 13. Februar, über das per Referendum bekämpfte "Medienpaket" abzustimmen. Wir sprachen mit Manuel Puppis, ordentlicher Professor für Medienstrukturen und Governance an der Universität Freiburg, über die Problematik der Finanzierungsmodelle der Medien und ihre möglichen Auswirkungen.
Könnten Sie bitte noch einmal erläutern, was bei dieser Abstimmung auf dem Spiel steht, insbesondere für ein nicht-schweizerisches Publikum, das mit dieser Debatte nicht unbedingt vertraut ist?
Am 13. Februar wird darüber abgestimmt, ob die Medienförderung in der Schweiz ausgebaut wird. Bisher wird der Posttransport von gedruckten Zeitungen subventioniert und Zeitungen profitieren von einem reduzierten Mehrwertsteuersatz. Zudem werden lokale Radio- und regionale Fernsehstationen aus den Rundfunkgebühren unterstützt, die hauptsächlich der Finanzierung des Service public dienen. Regierung und Parlament schlagen nun vor, die Posttaxenverbilligung und die Rundfunksubventionen zu erhöhen. Neu soll auch die Frühzustellung von Zeitungen subventioniert werden. Das innovativste Element ist aber eine erstmalige Unterstützung von Onlinemedien. Zudem sind Subventionen für die Aus- und Weiterbildung von Journalist/innen, Presserat, Nachrichtenagentur und digitale Infrastrukturen geplant. Die Transportsubventionen für Printmedien und die Unterstützung für Onlinemedien wären auf sieben Jahre befristet.
Es geht also um die Frage, ob die öffentliche Hand künftig journalistische Medien stärker unterstützen soll als bisher. Denn im Zuge der Digitalisierung sind die Werbeeinnahmen von Medienunternehmen stark eingebrochen, was zu Sparmassnahmen auf Redaktionen, zur Einstellung einiger Titel und zu einer starken Medienkonzentration geführt hat. Für eine direkte Demokratie wie die Schweiz, ist aber eine vielfältige Berichterstattung über alle föderalen Ebenen von essentieller Bedeutung.
Welches sind die innovativsten oder interessantesten Modelle für die öffentliche Finanzierung von Medien in der Welt heute?
Zum einen sind die Medienfördermodelle in Dänemark, Norwegen und Schweden interessant. In den skandinavischen Ländern wurde die traditionelle Presseförderung schon vor einiger Zeit auf Onlineangebote ausgeweitet. Redaktionen werden unabhängig davon, ob es Print- oder Onlinemedien sind, mit öffentlichen Geldern unterstützt: Sofern ein Medium bestimmte formale Kriterien erfüllt und einen Antrag stellt, geschieht die Mittelvergabe weitgehend automatisch. Damit ist auch die Unabhängigkeit gewahrt. Die in der Schweiz geplante Onlinemedienförderung funktioniert ähnlich.
Zum anderen existiert in den Niederlanden und in gewissen deutschen Bundesländern auch eine Innovationsförderung: Neugründungen von Medien oder Innovationsprojekte bei bestehenden Medien werden mit Coachingprogrammen unterstützt und zur Marktreife gebracht.
Was waren die Auswirkungen, Entwicklungen für den Sektor an den Orten, die sich für diese Art der Unterstützung entschieden haben?
Es gibt sehr wenige Studien, die sich mit den Auswirkungen von Medienförderung befassen. Was wir wissen: Ob es direkte Medienförderung gibt oder nicht sagt nichts darüber aus, ob ein Land in Erhebungen zur Medienfreiheit gut oder schlecht abschneidet. Die skandinavischen Länder mit ihrer langen Tradition der Medienförderung zählen zu den freisten Mediensystemen weltweit.
Ein norwegisches Forschungsteam hat die Onlineausgaben von geförderten und nicht-geförderten Zeitungen miteinander verglichen und festgestellt, dass sich die Inhalte kaum unterscheiden – es gibt also keinen Einfluss der Förderung auf die Berichterstattung. Aber dank der Förderung existieren immer noch flächendecken in allen lokalen Räumen Medien, die ohne Förderung kaum überlebt hätten.
Stellt eine öffentliche Finanzierung der Medien Ihrer Meinung nach ein größeres Risiko dar als eine private Finanzierung?
Jede Finanzierungsform von Medien bringt potenziell das Risiko von Abhängigkeiten mit sich. Deshalb ist strukturelle Diversität – also eine Vielzahl von Medien mit unterschiedlichen Finanzierungsmodellen – für ein freies Mediensystem wichtig.
Die Abhängigkeit von grossen Werbekunden darf sicher nicht unterschätzt werden. Hier ist es an der Chefredaktion, die Unabhängigkeit gegenüber Verlagsinteressen zu verteidigen. Das ist aber angesichts sinkender Werbeeinnahmen sicher nicht einfach. Und natürlich gibt es auch private Geldgeber, die mit der Finanzierung von Medien politische Interessen verfolgen.
Für die staatliche Medienförderung wiederum gilt, dass diese so ausgestaltet werden muss, dass die Unabhängigkeit gewahrt bleibt. Zentral scheint es, auf Leistungsaufträge und inhaltliche Evaluationen bei geförderten Medien verzichtet wird – um nur schon den Anschein von Einflussnahme zu verhindern. Die grössere Gefahr sehe ich im Übrigen bei der intransparenten Vergabe von Inseraten durch Behörden und staatsnahe Unternehmen, die in einigen Ländern üblich ist.
Inwiefern scheinen Ihnen die Herausforderungen der öffentlichen Finanzierung der Medien, wie sie in der Schweiz anlässlich dieser Abstimmung diskutiert wurden, in anderen Teilen der Welt und insbesondere in fragilen Kontexten widerhallen zu können?
Die Medienkrise betrifft viele Länder weltweit, da werbetreibende Unternehmen heute nicht mehr auf Medien angewiesen sind, um die Menschen zu erreichen – stattdessen schalten Sie Werbung bei international tätigen Onlineplattformen wie Facebook oder Google. Damit stellt sich vielerorts die Frage nach einer nachhaltigen Finanzierung von Medien – und damit nach Medienförderung. Zentral erscheint mir hierbei, dass Modelle gewählt werden, welche keine Einflussnahme der Politik auf redaktionelle Entscheidungen erlauben. Das hängt aber stark von den Wesensmerkmalen des politischen Systems ab. Es gibt leider genügend Länder, in denen Medienpolitik zur parteipolitischen Machtausübung missbraucht und der öffentliche Rundfunk genauso wie private Medien politisch instrumentalisiert werden. Nicht umsonst besteht unter Journalist/innen und Wissenschaftler/innen in Ländern mit ehemals autoritären Machthabern manchmal eine grosse Skepsis gegenüber Medienförderung.