Das 2009 gegründete CDAC Network ist ein globaler Zusammenschluss von Organisationen, die sich dafür einsetzen, dass von Katastrophen betroffene Menschen Zugang zu vertrauenswürdigen Informationen haben und kommunizieren können. Helen McElhinney, Exekutivdirektorin, erklärt, wie schnell sich die Bedürfnisse dieser Gemeinschaften im heutigen digitalen Zeitalter ändern.
Das CDAC-Netz bringt UN-Organisationen, die Rotkreuz-/Rothalbmondbewegung, lokale und internationale NRO, Medienentwicklungs- und Kommunikationsorganisationen zusammen, um den von Katastrophen betroffenen Gemeinschaften, derzeit in den besetzten palästinensischen Gebieten, im Sudan oder in der Ukraine, zuverlässige Informationen und Kommunikationsmittel zur Verfügung zu stellen. Welche Art von Information wird Ihrer Erfahrung nach für diese Gemeinschaften am dringendsten benötigt?
Helen McElhinney: Informationen sind in Krisenzeiten ein wahrer Rettungsanker. In Momenten extremer Verwundbarkeit müssen die Menschen wissen, wo sie Sicherheit finden und wie sie Zugang zu dringender Hilfe wie Nahrung, Wasser und medizinischer Versorgung erhalten. Aber das ist noch nicht alles. Die Menschen müssen in der Lage sein, miteinander in Kontakt zu treten, um herauszufinden, wo ihre Angehörigen sind – diese Art der Verbindung und Kommunikation ist ein menschliches Grundbedürfnis.
Bei CDAC Network sehen wir Kommunikation als Hilfe. Genaue, vertrauenswürdige Informationen sind unerlässlich, um den Menschen zu helfen, lebensrettende Entscheidungen zu treffen, und eine sichere, zugängliche Zwei-Wege-Kommunikation ist entscheidend, damit die Menschen miteinander in Kontakt treten, Hilfsorganisationen zur Verantwortung ziehen und den Stimmen der Menschen Gehör verschaffen können. Seit den Anfängen unserer Arbeit nach dem Erdbeben in Haiti 2010 hat sich CDAC darauf konzentriert, sicherzustellen, dass diese «Informationswege» offen und zuverlässig sind, damit die Gemeinschaften nicht im Dunkeln gelassen werden.
Welches sind nach den jüngsten Erfahrungen die wichtigsten Veränderungen im Informationsbedarf dieser Gemeinschaften? Ist das Problem heute nicht so sehr der Mangel an Informationen, sondern die Informationsflut und Fehlinformationen?
Auf jeden Fall, und dieser Wandel ist dramatisch. Als CDAC vor 15 Jahren gegründet wurde, kämpften die Gemeinden in Krisenzeiten oft mit einem Informationsvakuum. Heute, dank der Allgegenwart von sozialen Medien und Nachrichtenplattformen, ist meist das Gegenteil der Fall – eine überwältigende Flut von Inhalten, von denen viele unzuverlässig und manchmal sogar gefährlich sind. Dies verschärft sich noch in Situationen, in denen das Vertrauen in Institutionen und «offizielle» Informationsquellen gering ist. Unsere Arbeit im Sudan hat beispielsweise gezeigt, dass die Menschen, die in den Konflikt verwickelt sind, sich bei der Informationsbeschaffung überwiegend auf Menschen aus derselben Gemeinschaft verlassen, in der Regel über Facebook und WhatsApp. Diese Verbindungen sind für Solidarität, Unterstützung und gegenseitige Hilfe sehr wichtig, können aber auch dazu beitragen, Fehlinformationen zu verbreiten – selbst wenn sie gut gemeint sind. So haben wir beispielsweise erlebt, dass potenziell riskante medizinische Fehlinformationen verbreitet wurden und falsche Berichte über Angriffe auf Dörfer zu unnötiger Panik und Vertreibung führten.
Hinzu kommt die bewusste Instrumentalisierung von Desinformationen hinzu, die schon immer Teil von Konflikten waren, aber dank digitaler Technologien nun mit enormer Geschwindigkeit, in grossem Umfang und zu relativ geringen Kosten erzeugt und verbreitet werden können. Schädliche Desinformation stellt heute ein konkretes und verheerendes Schutzrisiko dar. Auch im Sudan haben wir vor kurzem erfahren, wie falsche Anschuldigungen, die online verbreitet wurden, zu Angriffen auf Hilfsmassnahmen und Freiwillige geführt haben, die in erschreckender Weise sogar Todesopfer gefordert haben. KI-gestützte Desinformationen lassen diese Risiken noch weiter eskalieren. Generative KI-Tools können heute riesige Mengen synthetischer Inhalte produzieren – scheinbar realistische Bilder, Videos und Fake-News-Narrative, die sich mit erschreckender Geschwindigkeit verbreiten und es fast unmöglich machen können, Fakten von Unwahrheiten zu unterscheiden. Dies wiederum untergräbt das Vertrauen weiter. Was die Menschen jetzt brauchen, sind nicht nur mehr Informationen, sondern auch Unterstützung, Werkzeuge und digitale Kompetenzen, die ihnen helfen, sich in dieser neuen Informationslandschaft zurechtzufinden und in dem Chaos zuverlässige Informationsquellen zu finden.
Wie sollten sich Ihrer Meinung nach die Medien und Informationsanbieter, anpassen, um die benötigten Informationen zum richtigen Zeitpunkt und über den richtigen Kanal bereitzustellen?
Medien und andere Informationsanbieter müssen in Krisensituationen flexibler denn je sein. Entscheidend ist, dass faktengeprüfte Informationen ebenso überzeugend und schnell verbreitet werden wie die viralen Fehlinformationen, die sie bekämpfen sollen. Die Herausforderung besteht darin, ein Gleichgewicht zwischen der schnellen Bereitstellung von Informationen und der Überprüfung von Inhalten auf eine Weise zu finden, die das Vertrauen aufrechterhält. Diese Herausforderung können wir jedoch durch eine bessere Zusammenarbeit zwischen Medien, humanitären Akteuren und Gemeinschaften meistern.
Ebenfalls von entscheidender Bedeutung ist eine lokal angepasste, kulturell angemessene Kommunikation ist – und dazu gehört nicht nur das Übermitteln, sondern auch das Zuhören. Oft besteht der beste Weg, Fehlinformationen entgegenzuwirken, nicht einfach darin, «die Wahrheit» zu verbreiten, sondern dafür zu sorgen, dass die Menschen sich gehört und anerkannt fühlen, und zu verstehen, warum sie sich an alternative Informationsquellen wenden. Dazu müssen wir die Menschen dort abholen, wo sie sind – über die Kanäle und Einflussnehmer, denen sie vertrauen, in den Formaten und Sprachen, die sie am liebsten verwenden.
Längerfristig müssen wir uns gegen schädliche Fehlinformationen wappnen. Dazu gehört, dass wir unseren Ansatz zur Medienkompetenz verbessern, damit wir die Gemeinschaften dabei unterstützen, die neuen Grenzen der digitalen Landschaft, einschliesslich der generativen KI, zu überwinden. Es bedeutet auch, unser unabhängiges Medienökosystem zu stärken. Das CDAC-Netzwerk bringt Mitglieder der Medienentwicklung mit humanitären Organisationen zusammen, und wir stellen regelmässig fest, dass die Medien bei der Schaffung eines sichereren Informationsumfelds eine Vorreiterrolle spielen. Das humanitäre System kann viel von ihnen lernen und tun, um ihre Arbeit zu unterstützen.
Das CDAC-Netz bringt UN-Organisationen, die Rotkreuz-/Rothalbmondbewegung, lokale und internationale NRO, Medienentwicklungs- und Kommunikationsorganisationen zusammen, um den von Katastrophen betroffenen Gemeinschaften, derzeit in den besetzten palästinensischen Gebieten, im Sudan oder in der Ukraine, zuverlässige Informationen und Kommunikationsmittel zur Verfügung zu stellen. Welche Art von Information wird Ihrer Erfahrung nach für diese Gemeinschaften am dringendsten benötigt?
Helen McElhinney: Informationen sind in Krisenzeiten ein wahrer Rettungsanker. In Momenten extremer Verwundbarkeit müssen die Menschen wissen, wo sie Sicherheit finden und wie sie Zugang zu dringender Hilfe wie Nahrung, Wasser und medizinischer Versorgung erhalten. Aber das ist noch nicht alles. Die Menschen müssen in der Lage sein, miteinander in Kontakt zu treten, um herauszufinden, wo ihre Angehörigen sind – diese Art der Verbindung und Kommunikation ist ein menschliches Grundbedürfnis.
Bei CDAC Network sehen wir Kommunikation als Hilfe. Genaue, vertrauenswürdige Informationen sind unerlässlich, um den Menschen zu helfen, lebensrettende Entscheidungen zu treffen, und eine sichere, zugängliche Zwei-Wege-Kommunikation ist entscheidend, damit die Menschen miteinander in Kontakt treten, Hilfsorganisationen zur Verantwortung ziehen und den Stimmen der Menschen Gehör verschaffen können. Seit den Anfängen unserer Arbeit nach dem Erdbeben in Haiti 2010 hat sich CDAC darauf konzentriert, sicherzustellen, dass diese «Informationswege» offen und zuverlässig sind, damit die Gemeinschaften nicht im Dunkeln gelassen werden.
Welches sind nach den jüngsten Erfahrungen die wichtigsten Veränderungen im Informationsbedarf dieser Gemeinschaften? Ist das Problem heute nicht so sehr der Mangel an Informationen, sondern die Informationsflut und Fehlinformationen?
Auf jeden Fall, und dieser Wandel ist dramatisch. Als CDAC vor 15 Jahren gegründet wurde, kämpften die Gemeinden in Krisenzeiten oft mit einem Informationsvakuum. Heute, dank der Allgegenwart von sozialen Medien und Nachrichtenplattformen, ist meist das Gegenteil der Fall – eine überwältigende Flut von Inhalten, von denen viele unzuverlässig und manchmal sogar gefährlich sind. Dies verschärft sich noch in Situationen, in denen das Vertrauen in Institutionen und «offizielle» Informationsquellen gering ist. Unsere Arbeit im Sudan hat beispielsweise gezeigt, dass die Menschen, die in den Konflikt verwickelt sind, sich bei der Informationsbeschaffung überwiegend auf Menschen aus derselben Gemeinschaft verlassen, in der Regel über Facebook und WhatsApp. Diese Verbindungen sind für Solidarität, Unterstützung und gegenseitige Hilfe sehr wichtig, können aber auch dazu beitragen, Fehlinformationen zu verbreiten – selbst wenn sie gut gemeint sind. So haben wir beispielsweise erlebt, dass potenziell riskante medizinische Fehlinformationen verbreitet wurden und falsche Berichte über Angriffe auf Dörfer zu unnötiger Panik und Vertreibung führten.
Hinzu kommt die bewusste Instrumentalisierung von Desinformationen hinzu, die schon immer Teil von Konflikten waren, aber dank digitaler Technologien nun mit enormer Geschwindigkeit, in grossem Umfang und zu relativ geringen Kosten erzeugt und verbreitet werden können. Schädliche Desinformation stellt heute ein konkretes und verheerendes Schutzrisiko dar. Auch im Sudan haben wir vor kurzem erfahren, wie falsche Anschuldigungen, die online verbreitet wurden, zu Angriffen auf Hilfsmassnahmen und Freiwillige geführt haben, die in erschreckender Weise sogar Todesopfer gefordert haben. KI-gestützte Desinformationen lassen diese Risiken noch weiter eskalieren. Generative KI-Tools können heute riesige Mengen synthetischer Inhalte produzieren – scheinbar realistische Bilder, Videos und Fake-News-Narrative, die sich mit erschreckender Geschwindigkeit verbreiten und es fast unmöglich machen können, Fakten von Unwahrheiten zu unterscheiden. Dies wiederum untergräbt das Vertrauen weiter. Was die Menschen jetzt brauchen, sind nicht nur mehr Informationen, sondern auch Unterstützung, Werkzeuge und digitale Kompetenzen, die ihnen helfen, sich in dieser neuen Informationslandschaft zurechtzufinden und in dem Chaos zuverlässige Informationsquellen zu finden.
Wie sollten sich Ihrer Meinung nach die Medien und Informationsanbieter, anpassen, um die benötigten Informationen zum richtigen Zeitpunkt und über den richtigen Kanal bereitzustellen?
Medien und andere Informationsanbieter müssen in Krisensituationen flexibler denn je sein. Entscheidend ist, dass faktengeprüfte Informationen ebenso überzeugend und schnell verbreitet werden wie die viralen Fehlinformationen, die sie bekämpfen sollen. Die Herausforderung besteht darin, ein Gleichgewicht zwischen der schnellen Bereitstellung von Informationen und der Überprüfung von Inhalten auf eine Weise zu finden, die das Vertrauen aufrechterhält. Diese Herausforderung können wir jedoch durch eine bessere Zusammenarbeit zwischen Medien, humanitären Akteuren und Gemeinschaften meistern.
Ebenfalls von entscheidender Bedeutung ist eine lokal angepasste, kulturell angemessene Kommunikation ist – und dazu gehört nicht nur das Übermitteln, sondern auch das Zuhören. Oft besteht der beste Weg, Fehlinformationen entgegenzuwirken, nicht einfach darin, «die Wahrheit» zu verbreiten, sondern dafür zu sorgen, dass die Menschen sich gehört und anerkannt fühlen, und zu verstehen, warum sie sich an alternative Informationsquellen wenden. Dazu müssen wir die Menschen dort abholen, wo sie sind – über die Kanäle und Einflussnehmer, denen sie vertrauen, in den Formaten und Sprachen, die sie am liebsten verwenden.
Längerfristig müssen wir uns gegen schädliche Fehlinformationen wappnen. Dazu gehört, dass wir unseren Ansatz zur Medienkompetenz verbessern, damit wir die Gemeinschaften dabei unterstützen, die neuen Grenzen der digitalen Landschaft, einschliesslich der generativen KI, zu überwinden. Es bedeutet auch, unser unabhängiges Medienökosystem zu stärken. Das CDAC-Netzwerk bringt Mitglieder der Medienentwicklung mit humanitären Organisationen zusammen, und wir stellen regelmässig fest, dass die Medien bei der Schaffung eines sichereren Informationsumfelds eine Vorreiterrolle spielen. Das humanitäre System kann viel von ihnen lernen und tun, um ihre Arbeit zu unterstützen.
Dieser Auszug stammt aus der 14. Ausgabe von Mediation mit dem Titel „Anpassung an veränderten informationsbedarf “.