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Ein russischer Unteroffizier wird am 20. Mai 2022 vor dem Berufungsgericht in Kiev des Kriebsverbrechens angeklagt. ©Yasuyoshi CHIBA / AFP Ein russischer Unteroffizier wird am 20. Mai 2022 vor dem Berufungsgericht in Kiev des Kriebsverbrechens angeklagt.

Internationale Gerichtsbarkeit und Übergangsjustiz verständlich machen

Infolge der Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten steht die internationale Strafgerichtsbarkeit wieder in den Schlagzeilen der Medien. Ihr goldenes Zeitalter hatte sie vor dreissig Jahren, als die internationalen Gerichtshöfe eingerichtet wurden. Heute sind die Verfahren der internationalen Gerichtsbarkeit komplexer und umfassen auch aussergerichtliche Vorgehensweisen zur Wahrheitsfindung und Wiedergutmachung. Da sich die Verfahren laufend weiterentwickeln, ist es heute mehr denn je an den Medien, diese verständlich darzustellen. Dieser Artikel und das Interview sind unserer 12. Publikation "Mediation" entnommen, die Sie unter diesem Link finden.

Die internationale Gerichtsbarkeit – die sich mit besonders schweren Verbrechen befasst – wurde nach dem Zweiten Weltkrieg in Nürnberg ins Leben gerufen und hat sich in den letzten Jahrzehnten im Interesse der Wahrheitsfindung stetig weiterentwickelt. Sie umfasst heute nicht nur Gerichtsverfahren, sondern auch Wahrheitsfindung, Wiedergutmachungsleistungen und die Pflicht zur Aufarbeitung.

Die UN-Strafgerichtshöfe in Den Haag und Arusha waren weit entfernt von den Ländern, in denen die Verbrechen begangen wurden. Es folgten die „Sondergerichte” (Sierra Leone) oder die „Sonderkammern” (Bosnien, Kambodscha), die ihren Sitz vor Ort, im Lande der begangenen Taten, hatten.

Die nationalen Gerichtsbarkeiten sind in ihrem Handlungsspielraum meist flexibler und befassen sich ebenfalls mit internationalen Verbrechen, unabhängig davon, ob sich das Gericht im Land, wo das Verbrechen begangen wurde, befindet (Demokratische Republik Kongo) oder in einem Drittstaat, der sich auf das „Weltrechtsprinzip“ beruft (Deutschland, Frankreich, Senegal, Schweiz). Während im Laufe der Zeit neben den nationalen Gerichtsbarkeiten ein internationaler Gerichtshof entstanden ist, bildeten sich weltweit zahlreiche Wahrheitskommissionen nach südafrikanischem Vorbild. Diese Kommissionen haben das Ziel, Opfer und Täter zu Wort kommen zu lassen, die Faktenlage zu ermitteln, die Folgen von Gewalt wiedergutzumachen und zu verhindern, dass eine Tat wiederbegangen wird.

Die Fondation Hirondelle ist überzeugt, dass sie die Resilienz betroffener Personen und Gesellschaften mithilfe verständlicher Informationen über komplexe Sachverhalte stärken kann. Dazu gründete sie beispielsweise in Arusha, dem Sitz des Internationalen Strafgerichtshofs für Ruanda, die Agentur Hirondelle News. Justice Info, ein mehrsprachiges Online-Medium, berichtet kontinuierlich und ausführlich über die Verfahren der internationalen Gerichtsbarkeit und der Übergangsjustiz auf der ganzen Welt. Dieser Bereich entwickelte sich in den letzten Jahren so stark wie noch nie: Mittlerweile machen Verfahren wegen schwerer
Menschenrechtsverstösse auch vor den Unternehmen nicht mehr Halt. Ihnen wird häufig die Zerstörung des Lebensraums indigener Völker vorgeworfen. Wahrheitskommissionen kümmern sich zudem um neue Bereiche wie sexualisierte Gewalt durch die Kirche oder Wiedergutmachungsleistungen für ehemals kolonialisierte Völker.

Diese Ausgabe der „Mediation” stellt unsere Medienaktivitäten in den historischen Kontext der internationalen Gerichtsbarkeit und der Übergangsjustiz und erklärt, warum es uns in einer von Konflikten gezeichneten Welt wichtiger denn je erscheint, die Verbindung mit der betroffenen Bevölkerung aufrecht zu erhalten.

Leitartikel - Sich auf Fakten konzentrieren

„Damit Gerechtigkeit geübt werden kann, muss auch sichtbar sein, dass Gerechtigkeit geübt wird.“ Journalist:innen verleihen der Rechtsprechung Transparenz, indem sie der Öffentlichkeit helfen, Tatsachen und Details zu verstehen. Sie fordern zudem Behörden und Institutionen auf, Rechenschaft über ihre Tätigkeit beziehungsweise ihre Untätigkeit abzulegen. So trägt der Journalismus dazu bei, das Vertrauen in das rechtmässige Handeln eines Rechtssystems zu stärken.

In Bezug auf die Übergangsjustiz ist das keine leichte Aufgabe. Es geht darum, komplexe juristische Fragestellungen zu erfassen und sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, manchmal auch unter Drohungen und Einschüchterungen. Die Mechanismen der Justiz sind oft schwerfällig. Das erschwert es, das Interesse der Öffentlichkeit über einen langen Zeitraum hinweg aufrechtzuerhalten. Eine solche Berichterstattung kann es mit sich bringen, dass Journalist:innen Zeugen von Greueltaten und deren Folgen werden.

Die Fondation Hirondelle unterstützt ein spezialisiertes Team mit einer breiten Erfahrung in diesem Bereich, das mit seinem eigenen Medium Justice Info, Spezialisten und die breite Öffentlichkeit informiert. Neben der Berichterstattung über die internationale Gerichtsbarkeit und die Übergangsjustiz auf der ganzen Welt, verleiht dieses Team Journalist:innen vor Ort das erforderliche Know-how, um die entsprechenden Themen für ihre spezifischen lokalen und nationalen Zielgruppen aufzubereiten, sei es in Kolumbien, in der Ukraine oder in der Demokratischen Republik Kongo. Wie immer ist Unparteilichkeit die Essenz der Vorgehensweise. Der Journalist muss sich wie ein Richter auf die Fakten konzentrieren, auch wenn er mit grausamsten Verbrechen, auch solchen an seiner eigenen Gemeinschaft, konfrontiert wird.

Jacqueline Dalton, Redaktionsleiterin der Fondation Hirondelle

Dieser Artikel und das Interview sind unserer 12. Veröffentlichung "Mediation" mit dem Titel "Internationale Gerichtsbarkeit und Übergangsjustiz verständlich machen" entnommen, die unter diesem Link verfügbar ist.